Wir holen uns die Straße zurück

  • Veröffentlicht am: 24. November 2010 - 10:59

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Begrünte Parklücke auf dem Engelbosteler Damm. © Julia Chiabudini

Bericht von der verkehrspolitischen Kunstaktion "PARK(ing) Day" in Hannover-Nord

Am 17. September findet seit 2005 der "PARK(ing) Day" statt. An diesem Tag erobern in dutzenden Städten rund um den Globus alle, die Lust haben auf angenehme Innenstädte mit wenig Autoverkehr inklusive dem "ruhendem Verkehr", Parknischen ihrer Wahl und verwandeln sie in kleine grüne Oasen. Dazu verwenden sie z.B. Rollrasen und Blumenkübel, Liegestühle und Picknickdecken u.v.a. Die Idee stammt von der Künstlergruppe REBAR, die vor fünf Jahren mit einer Parknische in Los Angeles begann und das Konzept, ihre Erfahrungen und Empfehlungen online stellte - und begeisterte Nachahmer fand. 2009 gab es den PARK(ing) Day bereits in über 700 Parknischen in 140 Städten. Unter http://parkingday.org kann man sich vernetzen und informieren zu Hintergründen und Erfahrungen anderer.


2010 fand der PARK(ing) Day auch in Hannover statt: die Grüne Stadtteilgruppe Nord belegte von ca. 11.30 - 18.00 Uhr eine Parkbucht Nähe Engelbosteler Damm / Scheffelstraße. Unsere Botschaft lautete: Wir können mit dem öffentlichen Raum und speziell mit dem Engelbosteler Damm als Lebensader der Nordstadt schönere Dinge anfangen, als zahllose Autos abzustellen, die größtenteils sowieso nicht (immer) gebraucht werden.


Als grüne Basis dienten dabei vier flauschige Teppiche in grasgrün, die freundlicherweise vom Grünen Zentrum zur Verfügung gestellt, mit dem grünen Lastenfahrrad an den E-Damm gekarrt wurden und die Parklücke perfekt bedeckten. Als organisches Element und Übergang zum Asphalt verteilten wir einen Sack Rindenmulch, der am selben Morgen billig im Baumarkt besorgt worden war. Rollrasen war eine Option, hätte aber teuer und deutlich länger im Vorfeld bestellt und mit KFZ (!) transportiert werden müssen. In freundlicher Gesellschaft des Stadtverbands-eigenen Gartenzwergs und auf den heimischen Balkonstühlen, mit Milchkaffee, Hörnchen und Krimi ausgerüstet, parkte zunächst Stadtteilgruppen-Sprecher Michael Demus aktiv vor sich hin und genoss die verblüfften und amüsierten Blicke der PassantInnen, AutofahrerInnen, Bus-NutzerInnen, bis am Nachmittag weitere werktätige Nord-Mitglieder dazu stießen. Da waren wir dann auch genug Leute für eine Partie Mensch-Ärgere-Dich-Nicht - da ging es auch um Parklücken, Standplätze und Platzbedarf. Bezirksratsherr Christian Nieße gewann schließlich knapp vor Raoul Schmidt-Lamontain. Wir hatten viel Spaß!


Auch ein Streifenwagen der Polizei hielt kurz, die Beamten fragten sehr erstaunt, was das denn werde, hörten unsere Erklärung und wünschten viel Spaß. Negative Begegnungen mit Autofahrer hat es keine gegeben - dies hätte sicher kritischer ausgesehen, wenn wir in die Nebenstraßen und zeitlich in den Abend gegangen wären. Dies wäre auch eine andere politische Aussage geworden.


Auch in Linden/ Limmerstraße konnten wir eine weitere Gruppe um Thom Meiseberg vom Wissenschaftsladen animieren, eine Parklücke zu besetzen. Auch dort verlief die Aktion entspannt und witzig.


Verkehrspolitische Aussage


Da das Stadtverbands-Büro am Vortag unsere Pressemitteilung herausgegeben hatte, fand die Aktion auch erfreulich viel Beachtung in der Presse: 3 Journalisten und Fotografen kontaktierten uns, um Fotos zu schießen und die Hintergründe der Aktion zu erfahren. Hier nutzten wir die Gelegenheit, um auf die Verkehrssituation aufmerksam zu machen, die aus unserer Sicht noch lange nicht das Optimum darstellt: Die Fahrbahn ist seit der Sanierung vor ca. 10 Jahren nach städtebaulichen Maßstäben ganze 80 cm (!) zu schmal, um Fahrradstreifen einzurichten Andererseits ist sie aber breit genug, dass kaum ein Autofahrer sich an das Tempolimit von 30 km/h hält. Das macht den E-Damm für viele Radfahrer zu einer unangenehmen Strecke, auf der sie sich gefährdet fühlen. Die Fußwege dagegen sind so breit, dass manche Radfahrer auf sie ausweichen und damit Fußgänger und Café-Gäste oft stören und manchmal auch gefährden.


Es ist leider nicht möglich, an der städtebaulichen Situation grundlegend oder auch nur im Kleinen bauliche Änderungen vorzunehmen, da sonst die erhaltenen Fördermittel zurückgezahlt werden müssten (Veränderungssperre). Daher wollen wir darauf hinarbeiten und die Anwohner im Stadtteil ermutigen, in gut erschlossenen Stadtteilen möglichst auf ein eigenes Auto zu verzichten und auf Rad, Öffis, die eigenen Füße und auf das teilAuto umzusteigen.


Wir schlagen konkret vor, möglichst viele private und gewerbliche PKW durch teilAuto-Stationen zu ersetzen. Bereits 2008 beschloss der Rat, öffentlichen Parkraum für die Sondernutzung als teilAuto-Station freizugeben und umzuwandeln. Dieser Beschluss muss von der Verwaltung nun zügig umgesetzt werden, um den Bedarf zu decken. In der Nordstadt gibt es bereits drei teilauto-Stationen mit 6 Fahrzeugen in verschiedenen Klassen.


Eine konsequente Kontrolle des Tempo-30-Gebots und eine Umleitung des Durchgangsverkehrs vom Cityring am Klagesmarkt in Richtung Hainholz und Vahrenwald würde die Situation weiter entschärfen und für Radfahrer erträglicher machen.


Wir werden die Aktion im Jahr 2011 wiederholen und dabei auch Geschäfte und Gastronomie einbinden und hoffen zudem, besonders in den inneren Stadtteilen mit hohem Parkdruck Nachahmer zu finden, die auf eigene Faust weitere Parklücken verschönern und sich einen schönen verkehrspolitischen Tag machen wollen. Die Stadtmobil Hannover GmbH hat bereits Interesse an einer Kooperation geäußert. Je konkreter Ihr die Parklücke und die Logistik für die Gestaltung plant, desto eher werdet Ihr Mitstreiter finden. Die persönliche Ansprache ist durch keine Masseneinladung per Email zu ersetzen und sollte mehrere Wochen vor der Aktion selbst erfolgen.


Da im nächsten Jahr bereits am 11.09.2011 die Kommunalwahl stattfinden wird, vorverlegen wir den hannoverschen PARK(ing) Day um einige Tage, um nochmal Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wir läuten quasi einige Tage vor allen anderen weltweit den PARK(ing) Day ein mit einem Warm up in Hannover!


Seid dabei! Infos unter www.parkingday.org oder bei Michael Demus.

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